Was tun? Die Linke und der große Crash

Mit dem absehbaren Crash der US-Immobilienriesen Freddie und Fanny wird die Finanz-Krise in ein neues Stadium übergehen. Weiter NUR treffende Analysen zu schreiben macht ungefähr so viel Spaß wie zuzuschauen, wenn das Nachbarhaus in Flammen steht und die Feuerwehr nicht kommt. Springt der Opi ausm dritten Stock? Brennt die Mami schon?

Ein Vorschlag, was Linke – sagen wir lieber: vernünftige Leute – in dieser Katastrophensituation TUN könnten, habe ich bereits vor einiger Zeit in der Tageszeitung „Junge Welt“ aufgeschrieben – es war mein letzter Kommentar in diesem Blatt, erschienen am 23. Januar 2008.  Damals bekam ich ziemlich Prügel dafür. Und wie sieht‘s jetzt aus?

 

aus: Junge Welt, 23.01.2008

 

Rettet unsere Kohle!

Wirtschaftskrach trotz Zinssenkung

Von Jürgen Elsässer

Seit dem gestrigen Dienstag verleiht die US-Zentralbank Geld für fast umsonst. Der Börsenkrach hat damit ein Stadium erreicht, in dem man keine akademische Analyse mehr benötigt, sondern praktische Handlungsvorschläge. Wenn selbst die Bild-Zeitung »das Risiko einer globalen Krise« beschwört, braucht es keine marxistische Tageszeitung mehr, die das nachbetet.

Beginnen wir mit einem guten Rat an unsere Leser: Legen Sie einen größeren Batzen Geld unters Kopfkissen und lassen Sie nicht alles auf der Bank. Bei der weiß man nämlich nicht, ob sie morgen wegen Illiquidität ihre Automaten abschaltet – »aus technischen Gründen« oder »vorübergehend«, wie es dann heißen wird. Sofern Sie Rücklagen haben, sollten Sie einen Teil davon in Gold tauschen. Damit werden Sie zwar nichts gewinnen, da dessen Kurs schon das Allzeithoch erreicht hat, aber wenigstens werden Sie nicht alles verlieren. Die Inflation der Papierwährungen jedenfalls wird weitergehen, und ein neues 1923 sollten wenigstens die nicht ausschließen, die ansonsten vor einem neuen 1933 warnen.

Wenn Ihr Betrieb à la Nokia dichtmachen will, müssen Sie ihn besetzen. Sichern Sie das Grundstück, die Immobilie, die darin vorhandenen Maschinen und am besten auch die Konten. (Schon in Zeiten des scheinbaren Friedens sollten Sie mit Hilfe professioneller Hacker die Paßwörter der Buchhaltung etc. ausspähen.) Betrachten Sie diese Werte als Faustpfand für Ihre Existenzsicherung. Setzen Sie, wenn möglich, den Betrieb wieder in Gang oder veranstalten Sie auf dem Gelände irgendeinen Rummel, für den Sie Eintritt verlangen können. Bitte nicht der Gewerkschaft oder der SPD vertrauen, da besteht Verarschungsgefahr!

Nach den Tips für den einzelnen nun die Ratschläge an die Linke, respective Die Linke. Sie steht vor einer epochalen Herausforderung. Die Krise bedroht nicht nur die unteren Klassen, sondern die Produktionsbasis insgesamt, wie Anfang der dreißiger Jahre. In dieser Situation werden sich nur noch Besserverdienende für den postmodernen Schnullipulli – Ökologie, Feminismus, offene Grenzen, Klimaschutz – begeistern können. Auch der simple Klassenkampf der ewigen Trotzkisten wird nur eine kleine Minderheit ansprechen. Denn schon der Daimler-Facharbeiter und erst recht der Mittelständler rechnen sich gar nicht zum Proletariat. Notwendig wäre vielmehr eine »Politik für alle« (so ein Buchtitel Lafontaines), das heißt, ein Programm zum Schutz der Volkswirtschaft vor den Stürmen der Globalisierung. Ein wichtiges Element davon wäre der Neuaufbau einer nationalen Energiebasis. Wolfgang Clement hat durchaus recht, wenn er den kohlefeindlichen Kurs der Hessen-SPD angreift – er hätte nur dazusagen sollen, daß schon im Kabinett Schröder mit ihm als Wirtschaftsminister das Todesurteil über die Bergwerke gesprochen wurde. Hat die Linke den Mut, ihre Wiederöffnung zu fordern? Oder wartet sie, bis der Ölpreis auf 200 Euro pro Barrel steigt?

(mehr zum Thema in: Jürgen Elsässer, Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg, Verlag Pahl-Rugenstein 2007)